Goethesalon im GoetheStadtMuseum
© Thomas Wolf, Gotha

Johann Friedrich Krafft (Pseudonym)
Geburtsdatum unbekannt - 23. Juli 1785

Johann Friedrich Krafft - Porträt eines Unbekannten
© Stadtverwaltung Ilmenau

Ich nannte mich eine Zeit lang Johann Friedrich Krafft. Das war nicht mein wirklicher Name. Vielleicht bekommen Sie heraus, wer ich eigentlich war? Bis heute ist es noch keinem gelungen. Ich war schon ein betagter Mann, als ich meine Identität verschleiern musste, weil ich durch unglückliche Umstände und mein eigenes Verschulden völlig verarmte. Ich schämte mich und sah keinen Ausweg. So schrieb ich, der sich einst in einflussreicher Stellung befand, einen Bittbrief an Goethe persönlich. Berührt von meinem Schicksal half er mir aus meiner misslichen Lage und sorgte von 1778 bis zu meinem Tod im Jahr 1785 für mich. Er sagte von mir, dass ich „ein gewandter, obgleich hypochondrischer Geschäftsmann“ wäre. Unsere Beziehung blieb geheimnisvoll, denn er verriet Anderen nichts über meine Identität. Dennoch existiert eine umfangreiche Korrespondenz zwischen uns, die Aufschluss über meine Tätigkeit in Ilmenau gibt.

Goethe vermittelte mir ein Quartier in der kleinen Stadt am Nordhang des Thüringer Waldes, und ich erhielt eine Pension aus seiner eigenen Kasse. Hier kannte mich niemand und ich konnte inkognito bleiben. So war meine Entdeckung Ilmenaus eher einem Zufall geschuldet. Es war das Jahr 1779, als Goethe vor allem mit der Wiederaufnahme des Ilmenauer Bergbaus beschäftigt war und das dortige Steuerwesen überprüfte.

Geldkassette, um 1600
© Stadtverwaltung Ilmenau

Bürgermeister und Steuereinnehmer hatten über Jahre Steuern zum Missfallen der Bürgerschaft in Größenordnungen hinterzogen. Für Goethe war es nicht einfach, diesbezüglich an wichtige Informationen zu gelangen. Man deckte sich gegenseitig und ließ sich nicht in die Karten schauen. So betraute er mich mit der Aufgabe, den Tatverdacht unauffällig zu prüfen, also als Agent tätig zu werden. 

Nachdem ich mich in der Stadt etabliert hatte und die wichtigen Kontakte fand, konnte ich mir einen recht guten Überblick über die Situation verschaffen. Meine Menschenkenntnis und Verwaltungserfahrung halfen mir, detailreiche Sachberichte an Goethe zu liefern. Sie trugen wesentlich dazu bei, die Steuersünder hinter Schloss und Riegel zu bringen und bessere Verhältnisse in Ilmenau zu schaffen. Außerdem widmete ich mich der Erziehung und dem Unterricht von Goethes Pflegesohn Peter im Baumgarten. Das war keine leichte Aufgabe, aber darüber wird er noch selbst in seiner Erinnerung an Ilmenau berichten.

Trotz dieses Neuanfangs litt ich unter starken Stimmungsschwankungen, Schwermut und Unzufriedenheit. Daran konnte auch meine Übersiedlung in das belebtere Jena im Frühjahr 1785 nichts ändern. Bald darauf verstarb ich.


Text: (c) GoetheStadtMuseum Ilmenau

Abb. 1: Bearbeitetes Porträt, GoetheStadtMuseum Ilmenau

Abb. 2: Geldkassette mit Szene eines Zahlvorgangs, um 1600, ausgestellt im GoetheStadtMuseum Ilmenau, Bergbauzimmer, Vitrine "Ein Dichter als Steuerprüfer"; Foto: Thomas Wolf, Gotha